Freitag, 31. Juli 2015

Schützt die Verfassung! Rettet die Pressefreiheit!



Da hat also der Verfassungsschutz mal wieder den Paragraphen des Landesverrats entdeckt, und man dachte sich in einem Anflug sommerlichen Hochgefühls, man könnte doch mal wieder ein paar Schlagzeilen produzieren, indem man die Strafvorschrift wie vor einem guten halben Jahrhundert bei der Spiegel-Affäre mal wieder auf Journalisten anwendet: Einfach mal austesten, wie groß die Solidarität mit diesen dubiosen Medienmenschen in der Gesellschaft so ist. In Zeiten der „Lügenpresse“-Vorwürfe ist das Wasser auf die Mühlen derer, die ein Grundrecht aushöhlen wollen: Die Pressefreiheit!

Ausgerechnet ein Amt, das die Verfassung schützen soll, stellt nun die Verfassung infrage. Das ist ein für Demokraten absolut unerträglicher Zustand!

Eigenwerbung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) ernst nehmen: "Dienstleister der Demokratie"! (Foto: F. Überall)

Medien werden in einer funktionsfähigen Demokratie gebraucht, auch über unangenehme Wahrheiten aus staatlichen Behörden zu recherchieren und zu informieren. Wie oft wird in der journalistischen Berichterstattung aus formal geheimen Papieren zitiert?! Soll das in Zukunft grundsätzlich verboten werden? Wo kommen wir hin, wenn jede Journalistin, jeder Journalist mit strafrechtlichen Folgen rechnen muss, wenn reguläre Berichterstattung jenseits von Katzenvideos und Servicetipps für den Sommerurlaub zum Besuch auf der Anklagebank enden könnte?

Womöglich ist der juristische Schachzug nur ein Warnschuss an alle, die sich allzu sehr mit den Skandalen und Skandälchen eines Amtes befassen, die zuweilen hart am Rande der Legalität agiert. Da geht es nicht nur um Überwachung und NSA, wie in den Berichten von netzpolitik.org. Da geht es auch um die Aufarbeitung des rechtsextremen NSU-Skandals, bei dem die Rolle der Verfassungsschutzbehörden bei weitem noch nicht geklärt erscheint. Natürlich ist das alles streng geheim. Aber auch im NSU-Fall drohen eben Grundprinzipien der Demokratie ausgehöhlt zu werden.

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz muss seine Strafanzeigen gegen Journalisten sofort zurückziehen! Unsere gewählten Politikerinnen und Politiker müssen das Thema in den parlamentarischen Gremien aufgreifen – Sommerloch hin oder her, sorgen Sie dafür dass unsere Verfassung tatsächlich geschützt und nicht von übereifrigen Bürokraten in fundamental Frage gestellt wird! Das Grundrecht der Pressefreiheit darf nicht zum Spielball dubioser Interessen pflichtvergessener Schlapphüte werden!

P.S.: Die am Freitagnachmittag bekannt gewordene vorläufige Einstellung der Ermittlungen reicht aus meiner Sicht nicht aus. Aber gut, dass nun grundsätztlich geklärt wird, ob solche Strafanzeigen gegen Journalisten gegen die Verfassung verstoßen und somit direkt in den Mülleimer zu wandern haben.

Als Zeichen meines Protests gegen das Vorgehen des Verfassungsschutzes habe ich an diesem Freitag an einer Mahnwache des Bündnisses "Stop watching us" vor dem Bundesamt in Köln teilgenommen. Näheres dazu findet man unter diesem Link: "Stop watching us Köln"

Die Kölner Internetzeitung report-k.de hat über die Demonstration berichtet - mit Video-Kurzstatement von mir. Sat1 NRW, RTL West und ARD waren mit Kameras vor Ort.

Außerdem zum Hintergrund die Stellungnahme meiner Gewerkschaft DJV unter diesem Link: Justizposse gegen Journalisten